Startseite

BFH: Wirksame förmliche Zustellung setzt auch während der Pandemie den Versuch einer Übergabe des Schriftstücks voraus

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Zwischenurteil vom 19.10.2022 (X R 14/21) entschieden, dass eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten unwirksam ist, wenn der Zusteller nicht zuvor versucht, die Postsendung mit dem Schriftstück persönlich zu übergeben. Dies gilt auch während der Covid-19-Pandemie.

In dem nun vom BFH entschiedenen Fall hatte der Postzusteller die Sendung mit einem Gerichtsurteil an einem Samstag in den Briefkasten der von den Klägern bevollmächtigten Steuerberatungskanzlei eingelegt. Wäre dieser Samstag das Zustellungsdatum gewesen, wäre die von den Klägern eingelegte Revision zu spät erhoben worden. Die Kläger machten allerdings geltend, die Zustellung sei unwirksam, weil der Zusteller während der Covid-19-Pandemie niemals versucht habe, in den Kanzleiräumen zu klingeln und das Schriftstück dort zu übergeben. Die Beweisaufnahme des BFH hat ergeben, dass der Amtsleiter des Zustellers angewiesen hatte, während der Covid-19-Pandemie auf ein Klingeln beim Empfänger und den Versuch einer persönlichen Übergabe zu verzichten. Auf dieser Grundlage hat der BFH die Zustellung als unwirksam angesehen. Der damit gegebene Zustellungsmangel wurde erst am darauffolgenden Montag geheilt, als eine Mitarbeiterin des Steuerberaters den Kanzleibriefkasten geleert hat. Daher hatten die Kläger die Revisionsfrist gewahrt.

BFH-Pressemitteilung vom 12.01.2023 und BFH-Zwischenurteil vom 19.10.2022 – X R 14/21