Grundsteuerreform eine Mammutaufgabe für den Berufsstand
Durch die Grundsteuerreform müssen rund 35 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Der steuerberatende Berufsstand wird dabei erneut eine wichtige Rolle einnehmen und seine Mandanten bei der Hauptfeststellung unterstützen – neben allen weiteren bestehenden Aufgaben.
Die Hoffnung, dass der Gesetzgeber auf Bundes- oder Landesebene eine Lösung findet, die den Berufsstand nicht allzu sehr belastet, hat sich nicht erfüllt. Durch den erheblichen Spielraum, den er den Ländern bei der Ermittlung der jeweiligen Steuerwerte eingeräumt hat, arbeiten nun 11 Bundesländer, mit dem zur Verfügung gestellten Bundesmodell oder geringfügig abweichenden, die anderen mit eigenen Modellen.
Obwohl mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 und dem Ende 2019 verkündeten neuen Grundsteuergesetz klar war, dass eine Veränderung bei der Berechnung der Grundlagen für die Grundsteuer auf den Berufsstand zukommt, war das Thema – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie – zunächst in den Hintergrund gerückt. Nun aber kommt der Mehraufwand auf uns zu und das immer noch zu einer Zeit, in der wir es am wenigsten gebrauchen können. Die Kanzleien haben durch die pandemiebedingten Zusatzaufgaben ihr Limit in den letzten Jahren bei weitem überschritten. Jeder weiß, welche Herausforderungen wir für unsere Mandanten angenommen und welche Aufgaben wir wahrgenommen haben und auch immer noch wahrnehmen müssen. Die Zeiten dieser Mehrfachbelastungen sind noch nicht vorbei. Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen werden immer noch beantragt. Beratungsgespräche zum wirtschaftlichen und existenzsichernden Fortbestand unserer Mandanten sind an der Tagesordnung. Kurzarbeitergeldprüfungen, vermehrte Rückfragen bei Überbrückungshilfen aber auch bei normalen Betriebsprüfungen sowie die anstehenden Schlussabrechnungen bei den Überbrückungshilfen stehen uns teilweise noch bevor. Unabhängig davon müssen natürlich die laufenden Arbeiten sowie die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen weiterhin fortlaufend fertiggestellt werden.
Jetzt kommt also noch die Neubewertung von ca. 35 Mio. Grundstücken bundesweit nach neuen Vorschriften hinzu. Im schlimmsten Fall müssen wir Berater uns mit allen Ländermodellen auseinandersetzen, je nachdem, in welchem Land der Steuerpflichtige Grundstücke hat.
Der Gesetzgeber hat die Neubewertung zum 01.01.2022 beschlossen. Die Finanzverwaltung hat die Aufgabe, die Umsetzung durchzuführen. Ab 01.07.2022 soll es erstmalig möglich sein, eine elektronische Erklärung abzugeben. Innerhalb von vier Monaten, bis Ende Oktober 2022, ist dies umzusetzen. Die letzte Bewertung ist fast 60 Jahre her, in den neuen Bundesländern fast 100 Jahre. In dieser Zeit ist es nicht gelungen, eine Neubewertung durchzuführen. Insofern stellt dieses Projekt eine Mammutaufgabe dar, deren Ergebnis jeder selbst beurteilen kann.
Bei einer derartigen Herausforderung ist es wichtig, gut vorbereitet an das Thema heranzugehen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn wir Steuerberater viele Angaben möglichst automatisiert zur Verfügung gestellt bekommen. Bereits seit einigen Monaten arbeiten daher die Steuerberaterkammern und -verbände sowie die IT-Unternehmen eng mit der Finanzverwaltung zusammen. Auch wenn uns die alte Datenbestandslage in den Einheitswertstellen bei der Finanzverwaltung und die Grundbuchämter mit ihrer Datenschutzthematik das Leben nicht einfacher machen, ist es doch gelungen, eine Vielzahl an Informationen für die Grundstücke aufbereiten zu lassen. Daher werden Eigentümer von „normalen“ Grundstücken die Erklärung oftmals selbst abwickeln können und wollen. Aber in anderen Fällen – etwa wenn der Sachverhalt nicht ganz so einfach ist – werden sie auf uns Steuerberater zurückgreifen.
Durchschnittlich 180 Grundstücke pro Steuerberater
Selbst wenn nur die Hälfte aller Erklärungen durch Steuerberater erstellt würde, bedeutet dies, dass sich jeder Steuerberater mit ca. 180 Grundstücksbewertungen beschäftigen muss. Dabei dürften die unbebauten Grundstücke (außer die landwirtschaftlichen Betriebe) noch am einfachsten zu bewerten sein, sofern die Eigentumsverhältnisse geklärt sind. Bei ungeklärten empfiehlt es sich, den direkten Weg über einen Notar zu wählen, um sich den eigenen Aufwand für die zeitlich beschränkte Freischaltung bei den jeweiligen Grundbuchämtern zu ersparen.
Bebaute Grundstücke sind nach Arten einzuteilen: Dies betrifft Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum, die nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten sind. Hier benötigen wir in der Regel das Baujahr und die Wohnflächen. Alle anderen Angaben werden automatisiert über vorgegebene Zu- und Abschläge, die sich auch aus der Lage des Grundstücks ergeben, berechnet. Damit diese Standardfälle zügig abgearbeitet werden können, wird die Finanzverwaltung i.d.R. mit dem Aufforderungsschreiben schon entsprechende Daten zur Verfügung stellen, die nach Prüfung übernommen werden können.
Alle weiteren Grundstücke wie Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, Teileigentum und sonstige bebaute Grundstücke werden nach dem Sachwertverfahren bewertet. Dafür wird der umbaute Raum (die Brutto-Geschoss-Grundfläche) und das Herstellungsjahr benötigt. Die restlichen Angaben ergeben sich ebenfalls automatisch über die hinterlegten Zu- und Abschläge.
Zusätzlich sind einzelne Internetportale – länderbezogen – in Vorbereitung, die ebenfalls einen Großteil der erforderlichen Daten beinhalten oder die für die Aufarbeitung genutzt werden können. Der Zugang zu diesen Portalen wird in der Regel über die landesbezogenen Finanzverwaltungen bekannt gegeben.
Sprechen Sie frühzeitig mit Ihren Mandanten
Wenn es keine weiteren Besonderheiten gibt, ist die Erklärung damit bereits abgeschlossen.
Nur leider wissen wir alle aus der Praxis, dass es nicht immer so einfach ist, wie sich der Gesetzgeber das vorstellt.
Folgende Punkte sind daher ggf. mit dem Mandanten zusätzlich zu besprechen:
- Wurde eine Kernsanierung vorgenommen? Dann verschiebt sich ggf. das Baujahr.
- Bei Anbauten und Erweiterungen sind ebenfalls zusätzliche Angaben zu Flächen und zum Baujahr vorzunehmen (ein Wintergarten beispielsweise zählt unter bestimmten Voraussetzungen teilweise oder ganz mit zur Wohnflächenberechnung).
- Auch der Begriff Wohn- und Nutzfläche ist in der Praxis nicht so einfach festzulegen, wenn Büroflächen oder Arbeitszimmer vorhanden sind.
- Die Brutto-Geschoss-Grundfläche ist bei Industriebauten, Lagerhallen, Büroräumen und Verkaufsgeschäften jeweils getrennt zu ermitteln – je nach Art der Nutzung und je Baujahr und Etage.
Auch ich habe Mandanten, die in den letzten Jahrzehnten ihre Betriebe nach und nach mit neuen Gebäuden oder Gebäudeteilen bebaut haben – auch das dürfte für die Praxis eine Herausforderung werden. Setzen Sie sich daher frühzeitig mit Ihren Mandanten in Verbindung. Lassen Sie diese nach Architektenunterlagen suchen. Erkundigen Sie sich, wann welche Gebäudeteile erstellt wurden und ob sie verschiedenen Nutzungsarten zugeordnet werden können. Beispielsweise bei Tankstellen, Fabrikgebäuden, Krankenhäusern und Kindergärten gibt es gewiss Besonderheiten. Der Mandant wird sicherlich schon einige Tage damit beschäftigt sein, nur um die entsprechenden Angaben zusammenzusuchen.
Berücksichtigen Sie dies auch bei Ihrer Zeitplanung denn Sie wissen:
Wir haben nur vier Monate Zeit!
Fazit
Die Umsetzung der Grundsteuerreform ist für den Berufsstand eine Mammutaufgabe, die neben dem normalen Veranlagungsgeschäft und den Sonderaufgaben aufgrund der Corona-Krise zu bewältigen ist. Die erneuten Fristverlängerungen für die Abgabe der Steuererklärungen lindern den Fristendruck zwar, beseitigen ihn jedoch nicht.
Aber: Wir werden auch das gemeinsam mit und für unsere Mandanten schaffen. Trotzdem wäre eine Verlängerung des Erklärungszeitraums im Rahmen der Hauptfeststellung eine richtige Maßnahme und ein gutes Signal!
Zur Person
StB Reinhard Verholen ist Präsident der Steuerberaterkammer Düsseldorf und Stellvertretender Vorsitzender des Steuerberaterverbandes Düsseldorf.